Alterseinschätzung bei UMFs

Mit den erhöhten Ankunftszahlen waren auch junge unbegleitete Geflüchtete wieder vermehrt Thema in unserer Beratung. Die Probleme bei der Alterseinschätzung von neu ankommenden unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen sind ein altbekanntes und umstrittenes Phänomen. Gerade durch unsere Beratung vor Ort in den AnkER-Zentren durch die Infobus-Projekte kamen wir immer wieder in Kontakt mit dort untergebrachten Minderjährigen. Teilweise wenden sich Betroffene aber auch direkt nach der Alterseinschätzung durch das örtliche Jugendamt im Young Refugee Center in der Marsstraße an uns, um sich zu Möglichkeiten des rechtlichen Vorgehens gegen das Ergebnis der Alterseinschätzung beraten zu lassen.

Häufig berichten die Betroffenen, dass sie bei den Behörden angegeben haben, minderjährig zu sein, jedoch durch die Alterseinschätzung der Jugendämter als volljährig eingestuft wurden. Immer wieder werden dabei auch die vorgelegten Dokumente der Betroffenen ignoriert und es wird wenig transparent kommuniziert, wie die Fachkräfte zu ihrer Entscheidung gekommen sind. Die Protokolle der Inaugenscheinnahmen verweisen häufig nur auf einen subjektiven Eindruck des Aussehens oder Auftretens der Betroffenen und lassen wenig Auseinandersetzung mit deren Biografie erkennen. Meist handelt es sich um Formblätter, in denen wenige Wörter für den Einzelfall abgeändert werden.

Wenn die betroffenen jungen Menschen vom Jugendamt als „eindeutig volljährig“ eingestuft werden, erfolgt keine weitere Unterstützung oder Überprüfung des Hilfebedarfs, sondern die Betroffenen werden direkt ins Ankunftszentrum für erwachsene Asylsuchende gebracht und bald darauf in ein AnkER-Zentrum außerhalb Münchens verteilt. Im Regelfall ändert sich durch jede Umverteilung das zuständige Jugendamt, sodass ein weiteres Vorgehen gegen die Alterseinschätzung bürokratisch erschwert wird. Ebenfalls schwinden die Möglichkeiten, die Betroffenen einer falschen Alterseinschätzung überhaupt zu identifizieren und zu unterstützen.

Wir unterstützen die betroffenen jungen Geflüchteten beim Einlegen von Rechtsmitteln gegen die Entscheidung und betreuen sie im weiteren Verfahren. In derartigen Fällen konnten wir regelmäßig Erfolge erzielen und im Jahr 2023 mehreren fälschlicherweise als volljährig eingestuften Jugendlichen zu ihrem Recht verhelfen. In einem Fall konnte sogar gerichtlich ein medizinisches Gutachten als unhaltbar festgestellt werden.

Es zeigte sich umso mehr, wie fehlerhaft die Alterseinschätzungsverfahren häufig sind. Die Interessen und Bedürfnisse der Betroffenen spielen dabei keine Rolle, die Jugendlichen oder jungen Erwachsenen werden der Devise der finanziellen Einsparungen unterworfen und entgegen anderslautenden Gesetzen im Zweifelsfall als volljährig eingeschätzt. Bedenklich ist hierbei die sicherlich erhebliche Dunkelziffer an Betroffenen, die keinen Zugang zu rechtlicher Unterstützung hatten und in der Konsequenz von der Jugendhilfe ausgeschlossen oder sogar rechtswidrig abgeschoben wurden.