• November 5, 2020

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Wir haben heute gemeinsam mit dem Bayerischen Flüchtlingsrat einen offenen Brief an das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge und die zentrale Ausländerbehörde Oberbayern geschreiben mit den Forderungen die Versendung von Asylbescheiden während des verordneten Teil-Lockdowns im November 2020 einzustellen und ein Rückführungsstopps während der Corona-Pandemie einzuführen.

Der uneingeschränkte Zugang zu unabhängiger Rechtsberatung, zu rechtlicher Vertretung sowie zum Rechtsbehelfsweg, also der effektiven Möglichkeiten zum Einlegen von Rechtsbehelfen, ist laut Art. 15 Abs. 2 und Art. 39 Abs. 1 Asylverfahrensrichtlinie gesetzlich vorgeschrieben. Das bedeutet, dass Folgendes gewährleistet sein muss: Die Möglichkeit, sich Zugang zu unabhängiger Rechtsberatung verschaffen zu können, einen Rechtsbeistand aufsuchen zu können und freien Zugang zu Rechtsantragsstellen der Gerichte zu haben.

Durch die notwendigen Maßnahmen zur Eindämmung der Covid19-Pandemie sind die Möglichkeiten, Beratungsstellen aufzusuchen z.T. stark eingeschränkt. Der ungehinderte Zugang zu Rechtsberatung und rechtlicher Vertretung ist somit nicht gegeben. Die Erfahrung aus der ersten Welle der Corona-Pandemie in Deutschland haben gezeigt, dass die Asylsozialberatung in den Unterkünften teils ohne Ankündigung geschlossen wurden. Weiterhin unterlagen Bewohner*innen von Sammelunterkünften häufig einer kollektiven Quarantäne-Verordnung. Dies ist auch in der aktuellen Lage der Fall. Dadurch waren sie weder in der Lage, einen Rechtsbeistand zu finden und zu beauftragen, noch konnten sie unabhängige Beratungsstellen aufsuchen. In einigen Fällen war sogar der Zugang zu Rechtsantragsstellen nicht mehr gegeben. Dies führt dazu, dass Rechtsmittel gegen Bescheide des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge unverschuldet nicht fristgerecht eingelegt werden konnten.

Durch die aktuellen Verordnungen zur Einschränkung öffentlicher und privater Kontakte ist der Zugang zu Rechtsberatung wieder stark eingeschränkt. Ebenso ist der Behördenkontakt für die Betroffenen nur noch auf Terminanfrage oder gar nicht möglich.

Daher fordern wir das Bundesamt auf, mindestens für den Zeitraum der aktuellen Beschränkungen die Zustellung von Asylbescheiden, im Besonderen für negative Bescheide, auszusetzen. Erst wenn der uneingeschränkte Zugang zu Rechtsberatung und Rechtsvertretung wieder gegeben ist sowie ein ungehinderter Einsatz von Rechtsbehelfen möglich ist, sollten Bescheide wieder zugestellt werden.

Darüber hinaus ist eine Rückführung in Mitgliedsstaaten der europäischen Union und Herkunftsländer von Asylsuchenden aufgrund des derzeitigen weltweiten Infektionsgeschehens nicht verantwortbar. Die auf Grundlage der präpandemischen Umständen etablierte Aufenthaltsbeendigung muss dem Eindämmen des Infektionsgeschehens und dem Schutz der Gesundheit der Betroffenen angepasst werden. Die vollzogenen und geplanten Abschiebungen im Rahmen der Dublin III Verordnung sowie Rückführungen in zum Teil stark von der Covid -19 Pandemie betroffene Regionen, stehen der Eindämmung des Infektionsgeschehens sowohl in Deutschland als auch weltweit entgegen. Fast alle Länder der europäischen Union und viele weitere Länder weltweit sind Pandemie-Risikogebiete.

Die Situation für überstellte Personen verschärft sich aufgrund der Corona-Krise erheblich, besonders in Hinblick auf die Versorgungs- und Unterbringungssituation und Zugang zu Beratungsstellen. In vielen Ländern stehen Unterkünfte, wie in Deutschland, unter Quarantäne. Der Gesundheitssektor vieler Zielländer für Rückführungen, auch im europäischen Ausland, stoßen an ihre Belastungsgrenzen. Somit unterliegen Rückkehrer*innen derzeit einem erhöhten Gesundheitsrisiko und ernsthaftem Schaden für Leib und Leben. Daher fordern wir das Bundesamt und die zentralen Ausländerbehörden sowie die ihnen unterstehenden lokalen Ausländerbehörden auf, einen generellen Abschiebestopp für die Zeit der Corona-Pandemie zu verordnen, mindestens aber für den Zeitraum des aktuellen Lockdowns ein grundsätzliches Abschiebeverbot anzuordnen und Rücküberstellungen auszusetzen. In dieser globalen Ausnahmesituation ist dies sowohl durch rechtliche als auch humanitäre Erwägungen geboten und angemessen.
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