Vergangene Woche hat die Bundesinnenministerin Nancy Faeser einen Gesetzesentwurf für das sog.
„Rückführungsverbesserungsgesetz“ vorgelegt, dieses soll noch diesen Monat im Kabinett
verabschiedet werden. Vorgeblich sollen damit vor allem Abschiebungen erleichtert werden. Das
Gesetz reiht sich in die stark tendenziöse öffentliche Debatte um Begrenzung von Migration und die
Ausweitung von Rückführungen ein.
Der Gesetzesentwurf enthält aber nicht nur Verschärfungen im Bereich der Durchsetzung von
Abschiebungen (zum Inhalt des Gesetzes siehe hier), sondern schränkt ohne Thematisierung in
der Öffentlichkeit auch die Verfahrensrechte aller Asylsuchender ein. Neben weiteren
Verschärfungen im Asylgesetz ist dabei insbesondere die Einführung eines neuen Straftatbestands
hochproblematisch. So sollen zukünftig unrichtige oder unvollständige Angaben im Asylverfahren
unter Geld- oder sogar Freiheitsstrafe gestellt werden.
In nie dagewesener Art und Weise wird so der Schutzraum des Asylverfahrens angegriffen. Bislang
waren Angaben im Asylverfahren bewusst geschützt, um einen sicheren Rahmen zum Vortragen der
Fluchtgründe zu ermöglichen. Die Betroffenen sind häufig traumatisiert, durch die komplizierten
Behördenabläufe verunsichert und werden kaum über ihre Rechten und Pflichten aufgeklärt.
Hinzukommen Verständnisprobleme oder Fehler in der Übersetzung. Aus unserer Beratungspraxis
wissen wir, dass es geflüchteten Personen sehr schwerfällt, über ihre Erlebnisse zu sprechen. Häufig
ist es den Betroffenen auch nicht möglich, Belege für ihre Fluchtgründe hier in Deutschland
vorzulegen. Die Furcht vor Bestrafung für nicht belegbare Aussagen könnte im schlimmsten Fall dazu
führen, dass wichtige Angaben zurückgehalten werden. Die Bewertung, inwiefern Angaben falsch
oder unvollständig sind, ist in der Praxis schwer zu treffen und wird häufig zu Ungunsten der
Betroffenen ausfallen.
Bereits jetzt machen wir die Erfahrung, dass das Bamf in einer Vielzahl von Asylverfahren die
Betroffenen als nicht glaubwürdig einschätzt. Eine strafrechtliche Verfolgung in diesen Fällen würde
somit zu einer massiven Kriminalisierung führen. Nicht nur die Asylsuchenden selbst wären
betroffen, auch alle Stellen, die zu den Inhalten des Asylverfahrens beraten, könnten wegen Beihilfe
strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden. Dies betrifft neben den Rechtsanwält*innen der
Asylsuchenden auch Beratungsstellen oder Asylsozialdienste.
Diese weitreichende Veränderung, die in vergangenen Gesetzesentwürfen bereits mehrfach aus
guten Gründen zurückgezogen wurde, soll nun möglichst unbeachtet von der Öffentlichkeit und im
Windschatten anderer Debatten durchgesetzt werden. In der Gesetzesbegründung wird der Eindruck
vermittelt, dass lediglich eine Gesetzeslücke geschlossen werden soll, während es sich um einen
Paradigmenwechsel im Asylverfahren handelt, vor dem in der Vergangenheit selbst das von Seehofer
geführte Innenministerium zurückgeschreckt ist.
Der Münchner Flüchtlingsrat ist mehr als alarmiert über diesen Vorstoß der Ampel-Regierung. Er löst
keine gesellschaftlichen Herausforderungen, sondern schränkt langfristig fundamentale Rechte von
Schutzsuchenden und ihren Unterstützer*innen ein. Wir sehen unsere Beratungsarbeit gefährdet
und fordern die Bundesregierung dazu auf, von diesem Gesetzesvorhaben Abstand zu nehmen.